Im Berlin vor 100 Jahren spielt das Kult-Musical Cabaret von John Kender und Fred Ebb. Ab diesem September wird auf der Bühne der Kulisse Eimke der Glanz der wilden 1920er Jahre nun wieder aufleben mit fröhlichem Charleston und leicht bekleideten Tänzerinnen, die als Sinnbild dieser hedonistischen Zeit auf der Bühne des Berliner Kit-Kat-Clubs die Massen begeistern. Vielfalt, Selbstbestimmung und sexuelle Befreiung prägen das Nachtleben in dieser aufregenden Zeit.
Die Zuschauer:innen dürfen gespannt sein. Mit viel Liebe zum Detail hat das Team um Valentino Karl, Daniel Holtz und Sabrina Wörz in Eimke hier ein ganz großes Stück auf die Bühne gebracht. Ein diffizil durchdachtes Bühnenbild und bisher nicht gesehene Aufbauten ermöglichen, das Großstadtflair des Kit-Kat-Clubs mitreißend umzusetzen. Licht und Musik lenken und leiten den Betrachter durch die Geschichte. In der Regie hat sich Annette Krossa überzeugt dafür entschieden, den politischen und gesellschaftskritischen Anspruch des Stücks in den Vordergrund zu stellen. Sozusagen ein glamouröser Aufruf für Diversität und politische Achtsamkeit 100 Jahre nach dem Ursprung dieser Geschichte – in 2024 so aktuell wie damals. In gewohnt hoher Schauspiel- und Gesangsqualität überzeugen alle Akteure. Ein kleines Meisterwerk mit vielen unvergesslichen Glanzpunkten.
Durch die schillernde Szenerie wird man als Zuschauer geführt von dem Conférencier (Soufjan Ibrahim/Lena Inter). Mal bissig, mal humoristisch, mal diabolisch aber immer charmant, begleitet diese genderfluide und mystische Persönlichkeit die Geschichte der Hauptakteure Sally der Sängerin (Annette Krossa/ Johanne Haas), Cliff dem Schriftsteller (Valentino Karl), Frau Schneider der Pensionsmutter (Claudia Reimer), Herrn Schultz dem jüdischen Gemüsehändler (Helge van Hove/Manfred Onoutka), Ernst Ludwig (Fabian Baecker) dem zuerst sympathischen dann jedoch radikalen Nationalsozialisten und Frau Kost (Patrizia Margagliotta/ Fiorina Bogatu) die ihr Geld mit verschiedenen Liebesdiensten verdient.
Foto: Achterdeck
Während der Beginn des Musicals durch fröhliche Wildheit im Club und rührende Romantik zwischen Sally, Cliff sowie auch Frau Schneider und Herrn Schultz geprägt ist, realisiert der aufmerksame Zuschauer bereits die bedrückenden Anfänge des heraufziehenden Nationalsozialismus. Die Leichtigkeit der Pro- tagonisten wird im zweiten Akt mehr und mehr untergraben von aufkeimenden Ängsten und Sorgen. Die Freiheit ihres Lebens und ihrer geliebten Kunst wird beschnitten durch die Engstirnigkeit des jungen NS-Regimes.
Foto: Achterdeck
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Erschreckenderweise hat das politisch und sozial geprägte Stück wirklich nichts an seiner Aktualität verloren. Gerade heute scheint die Warnung vor der Verführungskraft der Populisten aktueller denn je. Wie konnte es so weit kommen? Das Musical „Cabaret“ legt den Finger in die Wunde – immer noch! Und so mancher Zuschauer wird sich nach dem Auftritt der schönen Kit-Kat-Girls, die sich Stück für Stück weiter in braune, militärisch anmutende Kleidung hüllen und deren schwungvolle und anmutige Bewegungen immer mehr zu einem Marsch mutieren, fragen, ob man nach so einer Szene überhaupt klatschen darf.Die Ambivalenz der Emotionen. – Wie schnell kann ein Leben sich vom Glück zum Leid wenden und was macht die Angst vor Ablehnung oder fehlender Zugehörigkeit mit Menschen? „Cabaret“ ist ein Lehrstück in Sachen Zivilcourage. Wie Cliff im Stück sagt: „Wenn du nicht dagegen bist, bist du dafür!“
Natalie Engel
Spielplan:
20./21./22. September 24./25./26./27. Oktober 21./22./23./24. November 27./28./29. Dezember
Tickets gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen!