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Für Fritz-Eckhard Müller (1942-2024)

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Foto: v.l.n.r. Fritz-Eckhard Müller, Thomas Linde, Olaf Dammann, ca. 1978 bei einer munteren Fahrradtour durch die Lüneburger Heide (Foto: Peter Keilwitz)

Erinnerungen an den langjährigen Theaterleiter

Ich habe von guten Freunden aus Uelzen den Nachruf von Norman Reuter auf Fritz-Eckhard Müller (1942-2024) zugesandt bekommen („Ein letzter Vorhang für FEM“, AZ, 17.1.2025) und mich über den versöhnlichen Ton sehr gefreut. FEM, wie er seinen Namen gern abkürzte, manchmal auch Femilano, war verbittert darüber wie sein Abgang als technischer Theaterleiter kurz vor seinem 50sten Dienstjubiläum von statten ging („Uelzener Theater-Leiter scheidet nach 49 Jahren aus“, AZ, 4.2.2019). Noch im Februar ’24 hatte er sich bei mir beschwert, über den Artikel in der AZ, der seines Erachtens für ihn wichtige Details ignorierte. Müller fühlte sich generell oft missverstanden, nicht respektiert. Und er wunderte sich ehrlich, warum es oft hieß, “der schon wieder!” – eine durchaus nachvollziehbare, aber nicht von allen geteilte Reaktion auf seine verschrobene, individualistische, un-bürgerliche Selbstdarstellung. Die ihn persönlich kannten wissen, wovon ich spreche.

Müller hat aber auch viel Gutes, Kreatives, Interessantes geleistet. In dieser Hommage möchte ich kurz darstellen, wie seine Begeisterung für das Theater meinen Werdegang beeinflusst hat – zwischen 1977 und 1980 ganz direkt am Uelzener Theater und danach auch indirekt als ein beständiges Beispiel für einen der sich selbst ein Leben lang treu bleibt.

Mit der Theater-AG des Herzog-Ernst-Gymnasiums kam ich 1977 erstmals auf die (Seiten-)Bühne des Theaters an der Ilmenau. Die Inszenierung war “Sie nannten ihn Leo”, ich war für die Tontechnik zuständig. Die Inszenierung von HEG Deutschlehrer Dr. Walter Blohm (ab 1980 Hochschuldozent für Theater, Film, und Fernsehen an der Uni Bielefeld) war eine satirische Verfremdung des Stückes “Schlageter” von Hanns Johst, das 1933 zu Hitlers Geburtstag uraufgeführt worden war. Johst wurde 1935 Leiter der deutschen Reichsschrifttumskammer und “Schlageter” wurde sein größter Erfolg als Bühnenautor in Nazideutschland. Blohm’s kritische kabarettartige Verfremdung mit Tanz und Songs kam bei Vielen nicht gut an. Böse Leserbriefe und kritische Kritiken („In der Pause kam die Bombendrohung“, AZ, Nr.31 1977), Störungen der Aufführung durch Rechtsradikale, u.a. durch den Rechtsanwalt und Terroristen Manfred Röder (1929-2014) und seine Anhänger, und eben jene Bombendrohungen, zuerst in Uelzen, dann auch bei einem Gastspiel im Malersaal des Schauspielhauses Hamburg, waren als Gegenaktion gedacht, sorgten aber lediglich dafür dass das Stück auch überregional Beachtung fand  (dokumentiert durch Artikel, u.a., „Deutschstunde mit Bombendrohung“, STERN, 8.2.1977 und „Ein Stück von Blut und Boden“, DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT, 13.2.1977). Erst kürzlich hat die Geschichtswerkstatt Uelzen in ihrem „Erzählcafé“ mit Inge Schulze, Karin Berger, Klaus Nührig, und Thorsten Kleinschmidt an die Inszenierung und ihre Auswirkungen erinnert („Von Bombendrohungen und bösen Leserbriefen“, AZ, 13.11.23).

Und mittendrin Eckart Müller, wie er seinen Namen im “Leo” Programmheft schreiben ließ, der die Beleuchtung, das Bühnenbild, die gesamte audio-visuelle Darbietung maßgeblich mitgestaltete. Ich war begeistert von der Mischung aus inhaltlich-dramatischer und handwerklich-bühnentechnischer Arbeit und begann in Müller’s Bühnenhelfer-Crew zu arbeiten, für immerhin 3,30 DM die Stunde, und erst nachdem er die Erlaubnis meines Vaters eingeholt hatte, da ich noch minderjährig war.

Foto: v.l.n.r. Fritz-Eckhard Müller, Thomas Linde, Olaf Dammann, ca. 1978 bei einer munteren Fahrradtour durch die Lüneburger Heide (Foto: Peter Keilwitz)

Es folgten einige wunderbare Jahre in der Theaterwelt, mit den HEG-Theater-AG Inszenierungen “Reibungshunger”, “Vagabunden”, und “Black-Out”, an denen ich als Texter, Schauspieler, und Regie-Assistant mitarbeitete, aber auch mit professionellen Ensembles die am Uelzener Theater ihre Endproben und Premieren hatten bevor sie auf Tournee gingen. Höhepunkt für mich persönlich war 1979 die Premiere der Münchner Schauspielbühne von “Eurydike” (Anouilh), mit Joachim Ansorge, Hans Elwenspoek, und Diana Körner in den Hauptrollen. Regie führte Lothar Trautmann, der mich fragte, ob ich in Darmstadt sein Regie-Assistent werden wollte. Ich muss damals für einen achtzehnjähren Gymnasiasten ungewöhnlich vernünftig gewesen sein, als ich mich für die Allgemeine Hochschulreife am HEG und gegen das Staatstheater Darmstadt entschied.

Nach dem Abitur arbeitete ich von Oktober bis Dezember 1980 als Beleuchter im Theater im Zimmer an der Alsterchaussee in Hamburg, fast ausschließlich für “Glückliche Tage” (Beckett) mit Gerda Gmelin und Karl-Ulrich Mewes unter der Regie von Christoph Roethel. Ende Dezember bekam ich das Angebot als technischer Leiter einer Theatertournee durch Deutschland, die Niederlande und die Schweiz zu arbeiten. Die Premiere von “In der Sache J. Robert Oppenheimer” (Kipphardt) war am 2. Januar 1981 in Oelde. Danach ich hatte die Ehre für zwei Monate täglich mit einem der bekanntesten deutschen Schauspieler zu arbeiten, Will Quadflieg, Hauptdarsteller und Abendregisseur des „Oppenheimer“. Eine fantastische Zeit, nicht nur weil ich lernte dass man auch in den engen Straßen von Kempten/Allgäu mit einem 12-Tonner rückwärts einparken kann, sondern auch dass man, wie Quadflieg mit Blick auf die manchmal doch sehr kleinen Provinzbühnen oft sagte, „auf jedem Hühnerstall Staatstheater“ machen kann. Uelzen war kein Hühnerstall, sondern ein Volltheater, ausgestattet mit allen technischen Möglichkeiten und Raffinessen der Zeit, in dem mit Müllers Hilfe sehr oft Staatstheater gemacht wurde.

Danach rutschte ich dem Theater aus den Fingern. Es folgten zwei Jahre Studium der Sprachwissenschaft, eine kurze Kleinstkarriere als Musiker mit „FOXY“, mit denen wir kürzlich einen schönen Live-Mitschnitt aus dem Hamburger „Onkel Pö“ von 1984 auf Soundcloud veröffentlicht haben. Dann sechs Jahre Medizinstudium und Facharztausbildung In Hamburg, Auswanderung für die Forschung in die USA 1995, vorübergehende Rückkehr nach Deutschland an die Medizinische Hochschule Hannover von 2002-6, dann wieder USA, bis heute. Mit Femilano blieb ich in all diesen Jahren in losem Kontakt über Facebook, bis zuletzt seine ständige kreative Plattform und Publikationsorgan.

Meine letzten Kontakte mit Müller waren ein viertelstündiges Telefonat im Februar und, im September 2024, ein Vierteljahr vor seinem Tod, der Empfang eines seiner vielen kitschigen Kurzvideos, mit dem er mir auf Facebook zum Geburtstag gratulierte. Von der Zeit mit ihm am Theater an der Ilmenau vor mehr als 40 Jahren bleibt mehr als nur ein paar schöne und zum Teil tatsächlich wehmütige Erinnerungen. Es bleiben auch freundschaftliche Verbindungen zu anderen ehemaligen Bühnenhelfern: nach Uelzen zu Rechtsanwalt Ernst-Peter Köster und Tonmeister Peter Keilwitz, nach Eutin zum Versicherungsexperten Andreas Menke, und nach ganz unten zu Heiko Voss (1960-2023), dem Bassisten meiner ersten Rockgruppe „Hindernis“ mit der wir 1977 im Schützenhaus und im Hotel Stadt Hamburg auftraten.

Was bleibt ist auch die Faszination für das Theater, vor allem ein theoretisches Interesse an Brecht, (Heiner) Müller, Sartre, Anouilh. Die zehn Theaterstücke, die ich seit 1979 geschrieben habe werden aller Voraussicht nach nie publiziert und schon gar nicht aufgeführt werden. Trotzdem widme ich sie heute in ihrer Gesamtheit Fritz-Eckhard Müller, ohne den sie hochwahrscheinlich nicht existieren würden.

Olaf Dammann, Newton, MA, U.S.A.

Bestattungshaus Kaiser

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