LGBTQ Szene – Interview mit Jan
Wer Jan trifft, wird sofort von seiner herzlich offenen Art eingenommen. Jan ist ein junger Mann, der sich der LGBTQ Szene zuordnet. Man merkt ihm an, dass er viel zu erzählen hat und sich nicht scheut, für seine Anliegen einzustehen.
Du hast mich vor ein paar Monaten angesprochen, ob wir in der Barftgaans das Thema LGBTQ in unserer Region mal beleuchten wollen. Was war dein Wunsch dahinter?
Ich habe das Gefühl, dass wir auf lokaler Ebene mehr über das Thema reden müssen. Es ist viel darüber zu hören und zu lesen in den Medien – auf Deutschland bezogen. Aber die Menschen, die dieses Thema berührt, leben ja hier in unserer Stadt und wollen wissen, wo sie hier Gleichgesinnte, Unterstützung oder auch Rückhalt finden können.
Wie lange beschäftigst du dich selbst schon mit diesem Thema?
Sehr lange. Bereits mit 4 oder 5 Jahren ging es los, dass meine biologischen Eltern die Vermutung hatten, dass ich ein kleines bisschen anders bin. Wir besuchten damals die Familienberatung. Dann habe ich lange versucht mich einzugliedern, mich anzupassen, nicht aus dem Rahmen zu fallen, bis ich in der 8. Klasse beschloss, mich offen mit meiner Sexualität auseinanderzusetzen und mich nicht mehr zu verstecken und zu verstellen.
Hattest du Vorbilder (im Bekanntenkreis oder auch aus den Medien), die die dir geholfen haben mit deiner Persönlichkeitsfindung?
Ich war schon immer sehr fasziniert von Drag Queens. Und so war es dann auch Olivia Jones, die mich mit ihrer Art als Kunstfigur inspiriert hat. Diese ehrliche, gnadenlose Art, aber immer mit Humor. Na ja, und großartige Outfits und Make-ups – ich bewundere sie.
Im engen Umfeld war es meine Pflegemutter, die für mich immer ein Vorbild war. Sie hat mir vorgelebt, dass man sich nicht darum sorgen sollte, was andere Menschen denken. Wir haben nur ein Leben und müssen uns selber verwirklichen, das durfte ich von ihr lernen.
Was waren die größten Sorgen und Ängste, die du in deinem Alltag bei dem Thema deiner sexuellen Identität durchgemacht hast?
Ganz klar: Ablehnung. Die Angst, nicht mehr dazuzugehören. Aber nach meinem Coming out kam schnell auch die Angst vor Gewalt dazu. Ich musste leider schnell lernen, dass es Menschen gibt, die alleine durch meine Art und meine Sexualität so verunsichert sind, dass sie nicht nur mit Häme, sondern auch mit Gewalt reagieren. Das ist hart! Ich habe in den letzten Jahren Gewalt von Fremden erfahren müssen aber auch von Bekannten. Das prägt, aber es bestärkt mich auch darin, anderen beizustehen und vor allem auch aufzuklären.
Wie können wir als Gesellschaft Menschen helfen, ihren eigenen Weg zu gehen, sich selbst zu akzeptieren und ihr Leben frei zu leben?
Nicht Verurteilen – ganz einfach! Lasst euch auf Gespräche ein und versucht zu verstehen, was die Person ausmacht. Unser Geschlecht oder unsere sexuelle Präferenz ist nur ein kleiner Teil unserer Persönlichkeit und der geht die wenigsten Leute wirklich etwas an. Wenn wir offen ins Gespräch kommen, merkt man schnell, wie viele andere Dinge man gemeinsam hat.
Gibt es deiner Meinung nach genug Strukturen in Uelzen, oder haben wir im Kreis Verbesserungsbedarf, was Beratung zu dem Thema angeht?
Auf jeden Fall sehe ich noch Luft nach oben. Wir haben keinen unabhängigen Anlaufpunkt für Jugendliche, die sich dem LGBTQ-Spektrum zugehörig fühlen oder sich unsicher sind und darüber reden möchten. Da ist der Anfang oft schwer – es gibt großen Bedarf in Uelzen. Im Moment besuchen Leute aus dem Kreis Uelzen Treffs und Stammtische in Lüneburg, Hamburg, Hannover oder im Wendland, aber das ist gerade für junge Menschen ohne Führerschein gar keine Option.
Gibt es eine LGBTQ-Gemeinschaft in Uelzen
Natürliche gibt es einige locker organisierte Gruppen, aber das sind eher Freundeskreise. Wir haben, wie gesagt, keinen zentralen Anlaufpunkt. Im Moment bin ich gerade dabei einen kleinen Stammtisch ins Leben zu rufen. Wir treffen uns mittwochs ganz locker und unverbindlich im Mephisto. Jeder ist willkommen. Über Teilnahme und vielleicht auch Interesse, mir bei der Organisation zu helfen, würde ich mich wirklich sehr freuen.