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Feuilleton

Demokratie stärken

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„Das Privileg, sich nicht zu engagieren“ – Im goldenen Käfig.

Zusammenarbeit von „Schule:Kultur“ und dem Lessing-Gymnasium/Vernissage mit Bildern von Sophie Gajbach und Scchüler:innen am Freitag, 28. Februar, 17 Uhr

Vielleicht ein bisschen Geschichte vorab. Weil es ja zum Glück noch viele Menschen umtreibt, ob und welche Parallelen es derzeit, und nach den Bundestagswahlergebnissen mehr denn je, gibt zur Entwicklung im Jahr 1933: Nach der Weimarer Verfassung wurde der Reichskanzler damals vom Reichspräsidenten ernannt. Der brauchte dazu kein Mandat. Die Nazis stellten seit der Wahl vom Juli 1932 die mit Abstand stärkste Fraktion. Trotzdem weigerte sich Hindenburg zunächst, Hitler zum Kanzler zu küren. Franz von Papen, bis dahin Kanzler von der Zentrumspartei, hat dem alten General dann schmackhaft gemacht, man könne die Nazibewegung ruhigstellen, indem man ihren Chef zum Kanzler macht und mit Nichtnazis „einrahmt“. Im ersten Hitlerkabinett gab es auch nur zwei von der NSDAP, Frick als Innenminister und Göring als Minister ohne Geschäftsbereich. Die Vollmacht, Gesetze zu verabschieden, lag zunächst weiter beim Reichstag, der hatte die aber mit dem Ermächtigungsgesetz („Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat“) im März 1933 an die Regierung abgetreten. Und so ging es dann schnell…

In der heutigen Bundesrepublik müssen sich die Parteien über eine Koalition verständigen und einen Kanzler wählen, der dann staatsrechtlich vom Bundespräsidenten ernannt wird. Durch dieses Mehrheitssystem ist die stärkste Partei nicht automatisch Regierungspartei. Das war zum Beispiel bei der Brandt-Scheel-Regierung 1969 so oder in Thüringen mit Rot-rot-grün bis 2024. Wenn aber der Faschist Höcke jemanden für eine Mehrheit fände, und in der Thüringer CDU gibt es derlei Kandidaten, könnte das passieren, was derzeit immer noch alle verhindern wollen. Zumal es auf Landesebene nicht noch eine Instanz dazwischen gibt.

Sophie Gajbach vor dem Bild „Das Floß der Medusa“.

So fragil ist die Demokratie also wirklich. Auch wenn die Weimarer Republik Geschichte ist; und die Väter und Mütter des Grundgesetzes ein paar Riegel eingebaut haben für eine Wiederholung. Die vage Möglichkeit macht offenbar aber so vielen Menschen Angst, sodass es sie auf die Straße treibt. Zuletzt nach der Abstimmung der CDU zur Migrationsverschärfung, die im Bundestag billigend die Stimmen der AfD zur Mehrheitsbeschaffung in Kauf nahm. Die groß tönenden Versprechungen eines Friedrich Merz, er werde die AfD-Wahlergebnisse halbieren, lösen sich gerade in Rauch auf – er hat sie verdoppelt!

Was also tun? Nicht müde werden zu betonen, dass die Demokratie gefährdet ist, sie zwar nicht vollkommen ist und vielleicht auch nicht immer funktioniert, aber doch die bis jetzt beste Staatform bleibt. Das Projekt „Schule:Kultur“ widmet sich nun dieser gesellschaftspolitischen Situation. Die BBK-Vorsitzender Simona Staehr initiierte dazu Workshops (begleitet von Kerstin Sørensen) zum Thema „Demokratie“ – und die beste Absolventin des Kunstleistungskurses 2024 am Lessing-Gymnasium, Sophie Gajbach, erhielt als Auszeichnung eine Ausstellung im BBK-Raum Oldenstadt. Neben deren Bildern werden Arbeiten von Schüler:innen des Gymnasiums aus eben diesen Workshops zu sehen sein. Sophie Gajbach arbeitete mit ihnen zum Thema. Herausgekommen sind bemerkenswerte Bilder, die eines betonen: Ohne Zusammenhalt und Vertrauen, ohne soziale Teilhabe, politische Bildung und Pluralismus wird es nicht gehen. Die Schüler:innen lösten die Aufgabe mit Texten, grafisch, malerisch oder auch fotografisch, der Betrachter spürt vor diesen Arbeiten die Sehnsucht, gemeinsam in Frieden zu leben, Diskriminierung und Hass den Boden zu entziehen.

Sophie Gajbach als deren junge Lehrerin (sie möchte ab Herbst Kunsterziehung/ Lehramt studieren) hatte klare Vorstellung zum Thema und führte die Diskussion offenbar klug. „Es haben sich eigentlich alle geäußert und mitgemacht“, lautet ihre Einschätzung. Augenscheinlich hatte sie Glück, es gab keine Verweigerung oder gar Provokation (von rechts). – Auch in ihren eigenen Arbeiten zeigt Sophie Gajbach eine klare Haltung. Handwerklich sind die Bilder schon sehr ausgereift, vielleicht sind sie noch zu kopflastig, denn die dahinterstehende Konzeption, zu der die 20-Jährige eloquent und selbstbewusst Auskunft zu geben weiß, ist umfangreich.

Da gibt es zum Beispiel „Das Floß der Medusa“: Es thematisiert, was uns heute den Schlaf raubt, so wir denn ein Herz haben; die Grausamkeit, mit der Menschen sich begegnen. „Das Floß der Medusa“ hat nichts mit der mythologischen Dame zu tun, bei dessen Anblick alle zu Stein erstarren. Die „Medusa“ war im Jahr 1816 eine französische Fregatte, die sich mit 400 Menschen an Bord aufmachte, die von England an Frankreich im Verlauf der Napoleonischen Kriege zurückgegebene Kolonie Senegal wieder in Besitz zu nehmen. Als das Schiff auf Grund lief und alle Versuche der Befreiung nichts nützten, befahl der Kapitän, aus Masten und Planken ein Floß zu bauen. Rettungsboote gab es nämlich nicht für alle 400 Passagiere. Die im Verbund segelnden anderen drei Schiffe sollten das Gefährt und die 149 Menschen darauf – natürlich war es nicht die Upper Class – an Land schleppen. Unterwegs allerdings wurden die Taue gekappt und die Schiffbrüchigen ihrem Schicksal überlassen. Wie bekannt kommt uns das heute vor? Im Jahr 1819 schuf der französische Romantiker Théodore Géricault eine düstere Apokalypse dazu, Sophie Gajbach bleibt in dessen malerischer Kontur, verwendet aber viel Rot als Symbol für all das Leid und den Tod der Menschen. Flankiert werden die Figuren mit Papierfragmenten aus dem Grundgesetzt. Artikel eins: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und dem Paragrafen zum Asyl beispielweise. Den die deutschen Politiker in den letzten 20 Jahren – trotz unserer eigenen Vergangenheit – immer weiter aufweichten und verschärften… Sophie Gajbach widmet sich mit ihren Bildern auch der Isolation des Einzelnen durch soziale Medien, erzählt vom „Privileg, sich nicht engagieren zu müssen“ und fordert junge Menschen auf, etwas gegen die Hartleibigkeit der Politiker in Sachen Umweltschutz zu tun.

„Bubble“ – so funktioniert Demokratie nicht.

Es gehen klar Botschaften aus von den Bildern dieser Ausstellung und man möchte Herrn Merz dazu einladen! Der vielleicht begriffe, dass Abschottung nichts bringt und auch nichts nützt, dass (wirtschaftliches) Wachstum kein Heilsbringer und nicht unendlich ist und dass Bildung für alle, auch für Geflüchtete, ein hohes Gut wäre. Eine politische Ausstellung präsentiert sich da dem Betrachter. Und Goethe hatte sowieso nicht recht, als er für die Studententruppe in Auerbachs Keller im „Faust“ dichtete: „Ein politisch Lied, pfui, ein garstig Lied.“

Geöffnet ist die Schau nach der Vernissage am Freitag, 28. Februar, noch an den Wochenende 1./2. und 8./9. März, von 15 bis 18 Uhr

Barbara Kaiser – 26. Februar 2025

 

Bestattungshaus Kaiser